1.5 Die Nutzung von Open-Source-Business-Intelligence-Systemen im öffentlichen Sektor (Uwe Haneke)

Kurzfassung: Open-Source-Angebote finden auch im Bereich Business Intelligence seit einigen Jahren immer mehr Verbreitung. Der vorliegende Beitrag grenzt zunächst Open Source Business Intelligence (OSBI) gegenüber proprietärer BI-Software ab und stellt anschließend archetypische Grundmuster für den Einsatz von OSBI vor. Am Beispiel der Hochschulen wird exemplarisch gezeigt, warum OSBI auch für den Public Sector immer interessanter wird.

Über den Autor: Prof. Dr. Uwe Haneke lehrt seit 2003 an der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft im Fachgebiet Informatik. Dort betreut er die Bereiche Business Intelligence, Projektmanagement und Geschäftsprozessmanagement. Er ist Organisator der Veranstaltungsreihe „Workshop Open Source Business Intelligence“, Her­aus­geber des ersten deutschsprachigen Fachbuchs zum Thema OSBI und Geschäftsführer des Institute for Computers in Education (ICe).

 

Möglichkeiten und Chancen für Open Source BI im Public Sector

Business Intelligence

Die Informationsversorgung für Entscheider nimmt gerade in den Zeiten einer Überversorgung mit Informationen und Daten einen immer höheren Stellenwert in den Unternehmen ein. Im Mittelpunkt stehen dabei sogenannte Business-Intelligence- (kurz: BI-) Werkzeuge.

Der BI-Prozess

Der Begriff „Business Intelligence“ umfasst dabei zum einen den Bereich der Anwendungen und zum andern die hierzu gehörigen Technologien zur ent­scheidungsorientierten Sammlung, Aufbereitung und Darstellung geschäfts­relevanter Informationen. Grob gesprochen geht es in erster Linie darum, aus unterschiedlichen Anwendungssystemen Daten zu extrahieren, diese zu ho­mo­genisieren und anschließend für verschiedene Zwecke (z.B. Berichts­wesen, Planung, Kennzahlenermittlung) bereitzustellen.

Abb. 1  Vereinfachter BI-Prozess

 

Der BI-Markt

Der BI-Markt wächst seit mehreren Jahren überdurchschnittlich und hat 2010 bereits die 10-Mrd.-USD-Hürde übersprungen. Laut Gartner dürfte er bis 2014 ein Volumen von über 14 Mrd. USD erreichen. Für Deutschland liegt das Marktvolumen bei über einer Milliarde Euro. Heute gehört BI zum Standardrepertoire eines jeden Konzerns und auch ein großer Teil der mittelständischen Unternehmen setzt Business-Intelligence-Systeme zur Entschei­dungs­unterstützung ein.

Open Source BI

Aufgrund verschiedener Faktoren, wie etwa den Kosten einer BI-Lösung, sind in den vergangenen Jahren zunehmend sogenannte Open-Source-Busi­ness-Intelligence-Lösungen (OSBI) in den Fokus geraten. Die großen OSBI-Plattform-Anbieter (wie etwa Jaspersoft, Pentaho oder auch das deutsche Unternehmen Jedox) sehen sich immer mehr in der Lage, den klassischen BI-Anbietern, die mit proprietärer Software arbeiten, Paroli bieten zu können. Das Wachstum in diesem Marktsegment ist rasant. So geht die Gartner Group davon aus, dass sich die Zahl der OSBI-Installationen zwischen 2009 und 2012 weltweit verfünffachen wird (Bitterer 2009).

Wenn man sich dem Thema OSBI nähert, um zu analysieren, was diese Produkte heute schon zu leisten in der Lage sind, muss man allerdings feststellen, dass allein schon die Definition von OSBI nicht ganz einfach ist. Viele OSBI-Werkzeuge gehen auf Forschungsprojekte oder Initiativen zurück, die ihre Wurzeln im akademischen Bereich haben (Beispiele hierfür sind WEKA, Mondrian oder auch YALE). Heute stehen hinter den meisten Open-Source-Angeboten, die im Segment Business Intelligence zu finden sind, jedoch kommerzielle Anbieter, die profitorientiert arbeiten und von denen ihre Kapitalgeber eine entsprechende Rendite erwarten. Daher werden von diesen Anbietern neben den kostenfreien Werkzeugen in der Regel auch kommerzielle Produkte angeboten, deren Code dann teilweise nicht mehr frei verfügbar ist.

Abgrenzung von OSBI

Die Abgrenzung zwischen OSBI und dem, was als Commercial Open Source Software (COSS) bezeichnet wird, ist in Abbildung 2 dargestellt.

Abb. 2 OSBI-Software im Gesamtmarkt

 

Grund­sätzlich wird hier zwischen Open-Source-Software (OSS) und proprietärer Software unterschieden. Der Markt für Business-Intelligence-An­wendungen wird dabei traditionell in erster Linie durch proprietäre Software bedient. Das Angebot eines OSBI-Anbieters umfasst typischerweise einen signifikanten Anteil an OSS. Dieses Angebot wird jedoch durch Werkzeuge, die weitere Funktionalitäten liefern, mehr Komfort bieten oder die Perfor­mance ver­bessern. ergänzt. Diese Zusätze fallen zumeist in den Bereich der proprie­tären Software und sind vom Anwender käuflich zu erwerben.

OSBI umfasst damit streng genommen nur die Community-Versionen der verschiedenen Anbieter. Das typische Gesamtportfolio an Software-Lösun­gen eines OSBI-Anbieters überschreitet jedoch zum Teil die Grenze zwi­schen OSS und proprietärer Software. So kann der OSBI-Anbieter beispiels­weise in seiner quelloffenen Community-Version das allgemeine ETL-Werk­zeug seiner Suite bereitstellen, ergänzende Komponenten für die Anbindung eines SAP-Systems als Datenquelle aber nur gegen Zusatzzahlungen lizenzieren.

 

Einsatzszenarien für OSBI:
Warum Business Intelligence mit Open Source?

Generell lässt sich feststellen, dass der Markt für OSBI relativ jung ist. Dabei lassen sich nach Bitterer (2008) drei Wellen beim Einsatz von OSBI unterscheiden.

  • 1. Welle (2004–2007): „early adopters“
    In der ersten Welle waren es vor allem die sogenannten „early adopters“, die sich mit OSBI auseinandergesetzt haben. Alles, was also vor 2004 an Entwicklungen und Implementierungen zu beobachten war, würde dem­nach unter den Status des Experimentierens mit OSBI fallen.
  • 2. Welle (2008–2012): „driven by midmarket enterprises“
    Die zweite, gerade aktuelle Welle fokussiert gemäß Bittner auf mit­telständische Unternehmen. Dabei lassen sich regionale und branchenspezifische Unterschiede bei der Aufnahme von OSBI beobachten.
  • 3. Welle (ab 2012): „just another aspect of sourcing“
    Erst nach 2012, in der dritten Welle, wird OSBI letztlich nur noch als anderer Beschaffungsweg für BI-Funktionalitäten angesehen werden.

Aufgrund des modularen Aufbaus vieler OSBI-Produkte findet man zudem, wie von Freyburger (2010) dargestellt, in Unternehmen vielfach BI-Systeme vor, die OSBI-Anwendungen verschiedener Anbieter in ihrer individuellen Lösungsarchitektur zusammenfassen und dabei vielfach ihre bestehenden Architekturen um OSS-Werkzeuge ergänzen.

Grundmuster für OSBI-Entscheidungen

Laut Haneke (2010) findet OSBI über verschiedene archetypische Grund­muster, die häufig auch in gemischter Form anzutreffen sind, Eingang in die Unternehmen. Diese Grundmuster stellen vor allem Begründungen für die Ent­scheidung zugunsten eines OSBI-Werkzeugs dar. Was motiviert einen An­wender zur Wahl eines OSBI-Tools und warum zieht er es einer proprietären Softwarelösung vor?

Zu diesen Grundmustern zählen unter anderem:

  • Die geringe Einstiegshürde für BI-Neulinge, die voll funktionsfähige BI-Werkzeuge problemlos downloaden und testen können.
  • Die geringeren Total Cost of Ownership (TCO) einer OSBI-Lösung.
  • Die Möglichkeit die Anforderungen verschiedener Anwender schnell und einfach abdecken zu können, wenn sie über den Unternehmensstandard hinaus gehen.
  • Mit OSBI wird eine sogenannte „good enough“-Lösung bereitgestellt, die sich auf das Wesentliche konzentriert. Der Anwender verzichtet dabei bewusst auf die eine oder andere Funktionalität.
  • Viele kleinere Softwareanbieter ergänzen das Funktionsspektrum ihrer eige­nen Anwendung über die Integration von OSBI-Werkzeugen. Dies geschieht sehr stark im Bereich Reporting.

Hinzu kommt die Tatsache, dass viele BI-Projekte sehr IT-lastig aufgesetzt sind. Dies bedeutet, dass es weniger die Fachanwender sind, die das Projekt steuern und vorantreiben, sondern eher Softwareentwickler. Letztere haben in der Regel einen eher technischen Zugang und werden von der Möglichkeit angezogen, die Software eigenständig anpassen und weiterentwickeln zu können

In der Regel ist es ein Mix der oben genannten Grundmuster, die zu einer Entscheidung zugunsten eines OSBI-Werkzeugs im Unternehmen führen.

OSBI im Public Sector

Eine Branche, in der OSBI immer besser Fuß zu fassen scheint, ist der öffentliche Sektor. In seiner Studie aus dem Jahr 2009 zum Thema „Steue­rungs- und Planungssysteme in der öffentlichen Verwaltung“ stellt das BARC-Institut noch fest:

„Der öffentliche Sektor setzt im Branchendurchschnitt überdurchschnittlich häufig Open-Source-Softwarelösungen ein (Betriebssysteme, Datenbanken, Office-Produkte etc.). Betrachtet man jedoch nur den Bereich Steuerung und Planung, so zeigt sich, dass Open-Source-Lösungen in den befragten Einrich­tungen heute keine Alternative zu proprietären (lizenzgebundenen) Software­lösungen sind.“ (Fuchs 2009: 18)

Doch gaben immerhin 14% der befragten Einrichtungen an, zukünftig bevorzugt Open-Source-Werkzeuge für Steuerung und Planung einsetzen zu wollen. Ein Wert, der deutlich über dem anderer Branchen liegen dürfte.

Darüber hinaus lässt sich feststellen, dass auch die führenden OSBI-Anbieter, wie etwa Jaspersoft, Pentaho oder Jedox, in Deutschland den öffentlichen Sektor als Markt verstärkt entdeckt zu haben scheinen.

Das Interesse der öffentlichen Verwaltung an OSBI lässt sich dabei in erster Linie auf zwei Gründe zurückführen. Einerseits dürfte das Thema Lizenzkosten sicher der Haupttreiber für diese Entwicklung sein. Auf der anderen Seite kommt der Tatsache, dass es sich um Open-Source-Software handelt und der verwendete Source Code damit frei zur Verfügung steht, ebenfalls eine immer größere Bedeutung in dieser Branche zu.

Aufgrund des zunehmenden Kostendrucks und der damit einhergehenden Notwendigkeit moderne Steuerungs- und Planungssysteme verstärkt einzusetzen, ist zu erwarten, dass der Einsatz von OSBI in der öffentlichen Verwaltung kurz- bis mittelfristig deutlich ausgebaut werden wird.

OSBI im Public Sector: Das Beispiel Hochschulen

Ein Beispiel für den Einsatz von OSBI im Public Sector sind die Hochschu­len. Bereits Ende der 90er-Jahre, als sich viele Hochschulen noch mitten im ERP-Hype befanden, wurden an der Universität Osnabrück und im Freistaat Bayern zwei Pilotprojekte initiiert, die sich mit der Nutzung von BI-Kon­zepten im Hochschulbereich befassten. Beide Projekte, die mit kommerziel­ler Software arbeiteten, fanden zwar großen Anklang, dennoch war zunächst keine flächendeckende Übernahme durch andere Hochschulen zu beob­ach­ten. Mittlerweile ist in Bayern das Projekt CEUS (Computerbasiertes Ent­scheidungsunterstützungssystem für die Hochschulen in Bayern) jedoch mehr oder weniger flächendeckend im Einsatz und wird sowohl von den Hochschulen als auch vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst produktiv genutzt.

Die Gründe für die zögerliche Übernahme sind zumeist nicht auf der funktionalen Ebene zu suchen, sondern liegen eher im budgetären Bereich.

In einer 2006 durchgeführten Umfrage bei SAP-einsetzenden Hochschulen (Haneke/Dwornicki 2006) wurde u.a. gefragt, welche Bedeutung die Ein­richtungen einem Data Warehouse beimessen würden. Die Antworten zeig­ten deutlich, dass es hier ein Bedarf gesehen wird.

Dies lässt sich nicht nur auf den hohen Auswertungsdruck zurückführen, sondern auch auf die Notwendigkeit, Informationen schnell und individuell anpassbar, zentral wie auch dezentral, für das interne ebenso wie für das externe Berichtswesen bereitzustellen. Diese Feststellung wird gestützt von den Zielen, die die Hochschulen für einen DWH-Einsatz formulieren sollten. In erster Linie wurden hier die Erhöhung der Auswertungsflexibilität, die Berichterstattung über Daten aus heterogenen Quellen und die Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit genannt.

Wenn aber der Bedarf vorhanden ist, was hielt die Hochschulen dann von einer Einführung ab? Auf diese Frage antworteten die Hochschulen 2006 recht eindeutig. Die wichtigsten Gründe, die die Einführung eines Data Ware­­house verhinderten, wurden im Kapazitätsbereich gesehen – einerseits beim Budget, angesichts der hohen Kosten, die man für Lizensierung, Einführung, Schulung und Betrieb erwartete, andererseits bei den fehlenden Personalkapazitäten.

Daraus lässt sich aber schließen, dass die Hochschulen nicht über ein geeignetes Berichtswesen auf der oberen Steuerungsebene verfügten, doch die Einführung eines modernen Managementinformationssystems zu teuer war.

Das OSBI hier eine Alternative sein kann, zeigt etwa SuperX. SuperX ist eine Open-Source-Lösung, die ursprünglich in den 90er-Jahren an der Universität Karlsruhe entwickelt wurde. Später wurde es von der Projektgruppe SuperX an der Universität Duisburg zu einem Data Warehouse für Hochschulen weiterentwickelt. Die HIS GmbH bietet SuperX seit einigen Jahren als Lösung im Bereich Data Warehousing an. Regionale Schwerpunkte von SuperX liegen in NRW und Baden-Württemberg. Laut Angaben der HIS wird SuperX in Baden-Württemberg sogar flächendeckend eingesetzt. Bislang steht hier eher das Standardreporting im Vordergrund. Self-Service-Funktionalitäten oder analytische Anwendungen werden kaum genutzt. Es ist jedoch zu erwarten, dass die Nutzung von SuperX als Informationssystem schon bald größere Nutzergruppen erreichen wird und seine Potenziale stärker genutzt werden.

Inwieweit SuperX angesichts der kurzen Innovationszyklen, die sich derzeit im Bereich Business Intelligence beobachten lassen, zukunftsfähig sein wird, muss sich jedoch noch erweisen. Möglicherweise muss dann eine Portierung auf eine der großen OSBI-Plattformen angedacht werden.

 

Aussichten

Auch im Bereich Business Intelligence stellt Open-Source-Software heute eine wichtige Alternative zu proprietären Angeboten dar. Dabei ist die Marktentwicklung in vollem Gange und die Wachstumsraten sind überdurchschnittlich hoch. Gerade für den Public Sector dürften OSBI-Werkzeuge zu­künftig eine Möglichkeit darstellen, moderne Informationssysteme, die eine integrierte Steuerung und Planung ermöglichen, aufzubauen.

 

Quellen

Bitterer, A. (2008): Who’s Who in Open Source Business Intelligence. Gartner Research, ID Number G00156326.

Bitterer, A. (2009): Open Source Business Intelligence Tools Production Deploy­ments Will Grow Five-Fold through 2012. Gartner Research Note, G00171189.

Fuchs, C.; Mack, M.; Bange, C. (2009): Steuerungs- und Planungs­systeme in der öffentlichen Verwaltung. Einsatz, Erfolgsfaktoren und Hinder­nisse. Würzburg.

Bange, C.; Bange, A.; Ehman, F.; Finucane, B.; Grosser, T.; Keller, P.; Vierkorn, S. (2009): BARC-Marktstudie BI-Softwaremarkt Deutschland 2008/2009. Würz­burg.

Haneke, U.; Dwornicki, T. (2006): Gradmesser für den Reformprozess. Aktuelle Um­frage zu Controlling und KLR an SAP-einsetzenden Hochschulen in Deutsch­land, in: Wissenschaftsmanagement 2/2006, 26–35.

Haneke, U. (2010): Einsatzszenarien für OSBI, in: Haneke, U. et al. (Hrsg.): Open Source Business Intelligence (OSBI): Möglichkeiten, Chancen und Risiken quell­offener BI-Lösungen. Hanser Verlag, München, S. 271–284.

Freyburger, K. (2010): Anwendungsszenarien, in: Haneke, U. et al. (Hrsg.): Open Source Business Intelligence (OSBI): Möglichkeiten, Chancen und Risiken quell­offener BI-Lösungen, Hanser Verlag, München, S. 232–246.

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